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Interview mit Pedja: Design als Klon der Seele

2016 | 10 | 15

Dieses Gespräch zwischen Martha Kern und Pedja Hadžimanović untersucht den metaphysischen Charakter des Designs von Chandigarh – nicht dessen historischen Kontext oder faktische Ebene. Wir sind daran gewöhnt, unseren Verstand einzusetzen – unsere Fähigkeiten des Denkens und der Rationalität –, und können so Bedeutung und Wert eines Kunstwerks leicht erfassen. Kunst ist jedoch auch metaphyscher und emotionaler Natur und verlangt, dass wir ebenso unser Unbewusstes einbeziehen, insbesondere dann, wenn ein Werk komplex und tiefgründig ist. Kunst und Design sind mehr als bloße Dekoration; sie fungieren auch als Spiegel unseres eigenen Seins. Was schätzen Sie am Design von Chandigarh?
Ich liebe Le Corbusier und seinen Cousin Pierre Jeanneret, die uns beide großartige Gebäude hinterlassen haben. Es muss einen Grund geben, warum wir sie zu den wichtigsten Architekten des 20. Jahrhunderts zählen (lacht). Die meisten Architekturtheoretiker schätzen ihr Werk, weil es das Konzept der Moderne vorangetrieben hat. Was ihr Œuvre jedoch so reich macht, sind die existenziellen Fragen, die es aufwirft und die ihren Entwürfen eine spirituelle Dimension verleihen.
 
… Der Philosoph Walter Benjamin betonte den rituellen Aspekt der Kunst und die Tatsache, dass sie als Zugang zu unserem Unterbewusstsein fungiert – mit seinen Ängsten, Begierden und anderen Emotionen. Hier werden Kunst und Design intensiv.Aber Le Corbusier und Jeanneret entwarfen doch für eine moderne Gesellschaft, die wissenschaftlich begründeten Rationalismus propagierte. Widerspricht das nicht Ihrer Sichtweise?
Natürlich. Chandigarh war eine Stadt, die das Ideal einer modernen, rationalen Lebensweise verkörpern sollte. Doch ehrlich gesagt waren ihre Gebäude oft kompliziert und nicht besonders funktional (lacht). Zugleich gelang es ihnen, ihre rationalistische Ideologie mit einem irrationalen, metaphysischen Moment aufzuladen. Le Corbusier definierte Architektur einmal als Dienst am Tier, am Herzen und am Geist (servir à la bête, et au cœur, et à l’esprit). Das ist ausgesprochen anti-rational und betont den animalischen Aspekt der Wahrnehmung. Hinter der rationalen Fassade existiert eine tiefere Schicht, die unsere Seele berührt.

Ist das der Schlüssel zum Verständnis ihrer Objekte und Architektur?
Ich glaube ja, würde jedoch das Wort „Verstehen“ vermeiden. Kunst ist ein Medium, das mit Bildern arbeitet und vielfältige Sinneseindrücke erzeugt. Manche erscheinen unlogisch und sind nicht immer klar zu fassen – Kunst wirkt eher wie ein Orakel. Durch Kunst erhalten wir Visionen von Ewigkeit, Leben, Tod, Freiheit, Größe, Verspieltheit oder Banalität. Ihre Abstraktion fordert uns auf, Fragen zu stellen, die durchaus existenziell sind. Am Ende geht es weniger um das Kunstwerk selbst als um seine Fähigkeit, Emotionen oder spirituelle Ideen auszudrücken, die tiefer reichen als rationales Denken.

Kann ein einfacher Tisch wirklich eine solche Komplexität enthalten?
Ja. Andernfalls würde er uns nicht berühren. Der Konferenztisch¹ von Jeanneret etwa wirkt sehr banal, seine Proportionen sind unbeholfen. Doch gerade diese Rauheit bringt Radikalität zum Ausdruck und provoziert grundlegende Fragen des Seins. Dieser Tisch steht für Reinheit, als wäre alles Überflüssige getilgt worden. Er weckt Neugier auf das Existenzielle, auf das Unverdorbene. Hier regen Kunst und Design zur Reflexion über uns selbst und unser Inneres an.

Sie glauben also, der Tisch offenbare eine tiefere Wahrheit?
Ja, in gewisser Weise – aber nicht so, wie man vielleicht denkt. Alles in Pierre Jeannerets Design wirkt pragmatisch und ehrlich, doch Wahrheit in der Kunst ist immer eine Illusion. In dem Versuch, wahrhaftig zu erscheinen, liegt ein faszinierender Widerspruch, den Jeanneret verstand und bewusst nutzte. Für den Bibliothekstisch entwarf er beispielsweise eine sehr dick wirkende Platte, die den Eindruck eines massiven Blocks vermittelt. Blickt man jedoch darunter, erkennt man, dass nur der Rand stark ist, während der Kern dünn bleibt. Wahrheit und Illusion existieren gleichzeitig und verweisen auf ein bestimmtes Weltbild.

Suchen Sie in diesen Objekten also die Komplexität des Menschen?
Das berührt mich am meisten. Diese Stücke sind Werkzeuge, um uns selbst zu verstehen – Themen von zeitloser Relevanz. Zeitgeist oder manieristische Fragen interessieren mich nicht; ich brauche Tiefe, um angeregt zu werden. Gleichzeitig reagiert jeder Mensch anders auf diese Objekte: auf ihre formale Einfachheit, ihre Informalität, ihren rohen Charakter und ihre reiche Patina, die jedes Stück belebt, ebenso wie auf die unglaubliche Geschichte dieser schönen Möbel, die in den 1990er-Jahren wie Müll entsorgt wurden. Jeannerets Objekte besitzen viele Schichten, und jedes Mal entdeckt man eine neue.Warum sind diese Designobjekte heute so teuer?
Der Wertbegriff unterscheidet sich grundlegend vom Qualitätsbegriff. Ja, diese Objekte sind teuer, weil sie von einem der bedeutendsten Architektenduos des 20. Jahrhunderts entworfen wurden. Jedes Stück ist ein Unikat, mit eigenen Maßen, und unterscheidet sich stark von der industrialisierten Massenproduktion etwa bei Eames, Mies van der Rohe oder Kjaerholm. Seit Chandigarh zum UNESCO-Welterbe erklärt wurde, erfährt es zudem deutlich mehr Aufmerksamkeit. Hinzu kommt die außergewöhnliche Patina, die ihre Geschichte sichtbar macht – etwas sehr Seltenes bei moderner Möblierung. Ökonomisch gesehen spiegelt der Wert wider, wie selten und bedeutend ein Kunstwerk ist – Aspekte, die für mich als Galeristen zentral sind. Wer sich diesen Objekten jedoch wirklich nähern will, braucht eine eigene Haltung und sollte Vorurteile vermeiden.

Ist es nicht pervers, dass ein Design für arme Menschen heute so teuer ist?
Le Corbusier und Pierre Jeanneret entwarfen für Reiche und Arme auf dieselbe Weise. Sie suchten nach einer Sprache für den Menschen – nicht für eine bestimmte soziale Schicht.

Aber heute zahlt man 100.000 Euro für einen Tisch von Pierre Jeanneret – ist das nicht verrückt?
Vielleicht ist es verrückt, wenn man kein Geld hat. Kann man es sich leisten, sieht das anders aus. Stellen Sie sich vor, Sie sind sehr reich und haben die Wahl zwischen einem guten Tisch für 1.000 Euro und meinem fantastischen Tisch für 100.000 Euro. Wenn Geld keine Rolle spielt, warum sollten Sie den günstigen wählen? Mein Tisch ist magisch – ein primitives Artefakt: asketische Rauheit, archetypische Form, Großzügigkeit. Zudem ist es einer der wichtigsten Tische des 20. Jahrhunderts. Das ist die Schönheit des Geldes (lacht): Man kann es gegen etwas Spirituelles eintauschen, gegen ein solches Designobjekt. Ja, es mag pervers sein, 100.000 Euro für einen Tisch zu bezahlen – aber ich tue es auch. Ich habe keine Angst vor solchen Entscheidungen.

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